Functional Freeze

Die Schockstarre des Traumas

Durch die Arbeit mit einer Klientin bin ich noch einmal auf das sehr spannende und wichtige Thema der Erstarrung („Freeze“) aufmerksam geworden. Auch ich hatte zu diesem Thema in der Vergangenheit eine Sitzung und kann mich noch sehr gut daran erinnern.

Ich fühlte mich in vielen Situationen so ohnmächtig und handlungsunfähig, ich erstarrte und war in mir gefangen und nicht in der Lage so zu reagieren, wie ich es mir gewünscht hätte. Mir fehlte es an innerer Gelassenheit, an Besonnenheit und an Funktion. Ich funktionierte nicht mehr, mein Hirn war leer und ich war ausgeliefert. Ich habe mich dann oftmals noch sehr lange über mich und meine Reaktion geärgert.

In diesem Artikel werde ich von meiner persönlichen Erfahrung und der Erfahrung einer Klientin berichten. Vorab erst einmal ein paar Zeilen, was mit dem „Functional Freeze-Modus“ als Symptom überhaupt gemeint ist und wie es dazu kommen kann. Den Unterschied zwischen Schocktrauma und Entwicklungstrauma werde ich ebenfalls kurz erläutern.

Der Ursprung des funktionalen Einfrierens

Es ist der Bruchteil einer Sekunde, kurz bevor das eigentlich traumatische Ereignis geschieht. Der Moment in dem dir bewusst wird, da passiert gleich etwas Schlimmes mit mir. Ein Teil deines Selbst friert zusammen mit diesem Moment und ein paar Einzelheiten des Ereignisses ein. Du fühlst dich wie gelähmt. Deine Hülle steht noch dort in dieser Situation, dein Fühlen, deine Sinne hingegen sind ausgeschaltet.

Dieser Mechanismus nennt sich Dissoziation. Es ist wie ein Schutzschalter, der genau dann anspringt, wenn Flucht oder Kampf unmöglich ist. Ist dies der Fall bleibt nur noch eine Reaktionsmöglichkeit übrig, der „Freeze-Modus“.

Wie du dir vorstellen kannst, sind kleine Kinder sehr viel anfälliger zu dissoziieren, da sie kaum über die nötigen Ressourcen oder Fähigkeiten verfügen, um erfolgreich fliehen oder kämpfen zu können. Ich löse täglich so viele Dissoziationen auf und es sind zu 85% abgespaltene Ich-Anteile im frühesten Kindesalter und nur nur verschwindend geringe im Erwachsenenalter.

Schocktrauma oder Entwicklungstrauma

Die Erstarrung kann sowohl durch ein Schocktrauma, als auch durch ein Entwicklungstrauma hervorgerufen worden sein.

Ein Schocktrauma ist ein plötzliches, überforderndes Ereignis; ein zu schnell zu viel auf einmal. Ein Unfall, oder ein Übergriff beispielsweise.

Ein Entwicklungstrauma kann mit der Zeit zu dem Gefühl von Gelähmtheit führen. Mit Entwicklungstrauma sind dauerhafte Erfahrungen in der Kindheit gemeint, in denen Grundbedürfnisse nicht ausreichend erfüllt wurden. Eltern die emotional nicht erreichbar sind, da sie mit ihrem Kopf woanders sind, gestresst sind, wenig Zeit haben, nicht im Hier und Jetzt leben können. Dadurch sind sie nicht in der Lage die Signale ihres Babys oder Kleinkindes richtig zu deuten, sie können sich nicht ganz einfühlen. Vielleicht werden Signale übersehen, weil sie zu abgelenkt sind von der Arbeit, häufig in Gedanken sind, gestresst, oder viel Zeit am Handy verbringen. Meist sind diese Eltern begleitet von Gefühlen der Hilflosigkeit, Ungeduld oder gar Wut, teilweise ohne diese Empfindungen selbst wahrzunehmen, da sie zu abgelenkt sind. Auch das wie heute üblich sehr frühe Abgeben mit nur einem Jahr in die Kita fördert die Entstehung des „Functional Freeze-Modus“, da das psychologische Kitaalter mit gutem Grund bei 3 Jahren liegt. Denn erst im Laufe des zweiten Lebensjahres beginnen sie zu verstehen, dass sie und ihre Eltern nicht dieselbe Person sind. Die tägliche Trennung mit einem Jahr ist emotionale Folter und wird im späteren Leben mit Sicherheit Folgen haben.

Wenn deine (Grund-)Bedürfnisse als Neugeborenes und Kleinkind nicht erfüllt werden, führt dies zu Schmerz und Dysregulation. Du erlebst dies als bedrohlich, potentiell sogar lebensbedrohlich, was nicht überraschen sollte, da alles davon abhängt, wie deine Bezugspersonen sich um dich kümmern, ob sie dich und deine Bedürfnisse fühlen und für dich erreichbar sind.

Werden deine Bedürfnisse nicht gesehen, ist deine gesunde erste Reaktion darauf Protest und Frustration, zum Beispiel durch Schreien oder Weinen. Du weinst, damit dein Bedürfnis deutlich wird und doch noch erfüllt wird. Wenn dies „lange genug“ jedoch nicht der Fall ist, dein Weinen falsch gedeutet wird oder übergangen, ist deine nächste Reaktion aufzugeben, Resignation und „Freeze“.

Resignation und Freeze

Dieser Moment des Einfrierens ist eine Gelähmtheit, die dich meist ein Leben lang begleitet, wenn du nicht die Möglichkeit bekommst, sie aufzutauen und nachträglich entsprechend zu verarbeiten beziehungsweise aufzulösen, wie es die Flowering Tree Methode zum Beispiel möglich macht.

Lähmung muss nicht für jeden gleich spürbar sein. Häufig liegt sie unter vielen verschiedenen Schichten aus Ängsten oder Unsicherheiten verschüttet, so dass du sie nicht wahrnehmen kannst. Oder dir war bisher einfach nur nicht klar, dass es ein Symptom ist und nicht zu dir gehören muss. Ängste sind in aller Munde, dadurch sind sie natürlich greifbarer und kommen schneller ins Bewusstsein, während der Zustand der Erstarrung eher ein „Underdog“ ist. Er macht sich in Situationen bemerkbar, die dich überfordern und Stress auslösen. Deine Hülle funktioniert zwar nach Außen und du kannst den Erwartungen gerecht werden, doch in deinem Inneren bist du erstarrt, dein Kopf ist leer und du befindest dich wie unter einer Glocke. Deine Verbindung zur Außenwelt ist wie durchtrennt.

Begleitsymptome: Stress & Angst

Bei Nichtverarbeitung von Traumata verbleibt diese eingangs erwähnte Schocksequenz im Nerven-System und gibt dir dauerhaft das Gefühl, in Gefahr zu sein. Du bist in einer Habachtstellung gefangen. Das Nervensystem kann nicht unterscheiden, ob die Signale aus der Gegenwart kommen (ich bin wirklich genau jetzt in Gefahr) oder eine alte feststeckende Aktivierung ist (ich war mal in Gefahr und mein System kann sich seither nicht entspannen). Du bist dadurch innerlich angespannt und neigst zur Vorsicht und beobachtest deine Umgebung gut. Du bist im Dauerstress.

Vielleicht kommt dir das ja bekannt vor: du bereitest dich regelmäßig gedanklich auf mögliche Ereignisse in der Zukunft vor und wie du auf sie reagieren möchtest. Du gehst dabei meist von einem Worst-Case-Szenario aus.

Diese dauerhafte Aktivierung führt zu unterschiedlichsten Symptomen, im folgenden nenne ich die Gängigsten:

Ängste die man mit dieser inneren Starre in Verbindung bringen kann ist vor allem die Angst, dass etwas Schlimmes passieren könnte. Angst vor Bedrohung, man nimmt die Welt eher als gefährlichen Ort wahr beziehungsweise ist es eine diffuse Angst vor Bestrafung, sein Gegenüber zu verärgern, Angst vor der Reaktion des Gegenübers. Angst vor Fehlern, Angst zu versagen, Angst unangenehm aufzufallen. Angst vor falschen Entscheidungen. Sehr hohe innere Anspannung, ein permanentes auf der Lauer liegen. Berührungsängste, Verschlossenheit. Vor allem das Gefühl der Handlungsunfähigkeit, Ohnmacht und Sprachlosigkeit (Angst etwas Falsches zu sagen) gehen Hand in Hand mit dem Gefühl der Starre. Nicht zuletzt schafft dieser Zustand auch immer eine gewisse Distanz. „Functional Freeze“ ist wie eine innere Mauer, die dich von innen ausfüllt. All das führt letztendlich zu hohen, anhaltenden Stress.

Ich möchte Wut an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, auch diese ist meist mit von der Partie, allerdings nicht immer gleich spürbar. Wird die Lähmung aufgelöst, wird diese oftmals freigesetzt und kann dann verarbeitet und losgelassen werden.

„Freeze“ als Schutzmechanismus

Wie schon beschrieben handelt es sich bei der Erstarrung um einen Schutzmechanismus, den man sehr gut mit dem „Totstellreflex“ aus der Tierwelt vergleichen kann. Dabei geht es darum, die Emotionen die nach dem Moment des Erstarrens kommen, auszuhalten und zu überleben. Die ausgelösten Gefühle nicht zu sehr an sich herankommen zu lassen, es nicht so intensiv spüren zu müssen.

Freeze ist daher auch eng verknüpft mit der Depression, beziehungsweise ist es ein Teil der Depression.

Der Vorteil dieses Schutzmechanismus liegt also darin, die Gefühle nicht mehr so stark wahrzunehmen. Die Schattenseite dieses Überleberns-Mechanismus liegt ebenfalls darin, deine Gefühle nicht mehr so gut wahrzunehmen. Mit jeder Dissoziation verlierst du dich und deine Gefühlswelt ein Stück mehr, du wirst sozusagen immer unvollständiger. Dadurch wirst du schleichend härter, kühler, ernster, trauriger, distanzierter und verlierst immer mehr den Kontakt zu dir selbst und auch zur Außenwelt.

Wie sich emotionale Starre bemerkbar macht

Diese Lähmung lässt dich nicht in Ruhe, sie lässt dich nicht in jeder Lebenssituation einfach du selbst sein. Sie macht dich starr und verhindert, dass du Gelegenheiten beim Schopfe packen und Chancen, die dir das Leben bietet, erkennen und ergreifen kannst.

Wie oft hast du dich schon geärgert, in einer Situation nicht kontern zu können, nicht aussprechen zu können was du so gern gesagt hättest. Stundenlang, manchmal tagelang bist du die Situation im Kopf wieder und wieder durchgegangen und hast dich über dich selbst geärgert.

Oder bestes Beispiel, die Kennenlernphase. Beim Flirt schlägt die Lähmung besonders gern zu. Die Leichtigkeit, den Humor bekommst du nicht transportiert, es fällt dir schwer du selbst zu sein, stattdessen erstarrst du innerlich und wirst einsilbig. Du kannst nicht du selbst sein.

Es ist die Starre des Traumas, die dir deine Reaktionsfähigkeit und somit ein großes Stück deines Handlungsspielraumes raubt. Diese Lähmung lässt dich steif, unaufgeschlossen und unflexibel sein. Sie raubt dir die Fröhlichkeit, Energie und mahnt permanent zur Vorsicht. Selbstvertrauen und Mut schwinden, im schlimmsten Fall traust du dich kaum noch aus deiner Komfortzone heraus.

Meine Erfahrung mit der Lähmung

Ich kann mich noch sehr gut an meine eigene Sitzung zur Lähmung erinnern. Ich spürte sie als eine Hülle um meinen ganzen Körper herum. Sie bestand aus gebackenen Lehm der mich umhüllte und in die Starre zwang. Ich war in meinem Leben so oft sprachlos, habe mich nicht getraut und im Anschluss maßlos über mich selbst geärgert; ich war viel zu oft handlungsunfähig. Die Hülle sollte aufbrechen, ich gelangte zu einem verletzten inneren Kind, welches im nächsten Schritt geheilt und anschließend zurück zu mir durfte.

Nach der Sitzung war die Lähmung und was sie mit sich brachte weg.

Ich kann seither viel besser reagieren, Situationen beantworten, was natürlich eine Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit, der Kommunikationsfreudigkeit und der allgemeinen Lebensqualität darstellt. Die Sitzung hat mir Flexibilität und mehr Raum verliehen. Ich bin losgelöster, für mich ist es nun das Selbstverständlichste offen dem Leben und den Menschen zu begegnen. Mein Bewegungsradius hat sich enorm vergrößert. Ich probiere seitdem gern Neues aus, bin unternehmungslustig und viel freier.

Dank der Sitzung mit einer Klientin wurden diese Erinnerungen noch einmal in mir wach gerufen, wofür ich sehr dankbar bin. Viel zu schnell nimmt man die neugewonnenen Ressourcen nicht mehr wahr, viel zu schnell sind diese positiven Veränderungen die neue Normalität und ganz selbstverständlich.

Ebenfalls dankbar bin ich für ihren Beitrag zu diesem Artikel. Sie hat mir drei Fragen beantwortet, die ich im Folgenden eins zu eins so an dich weitergebe.

Kurzinterview mit einer Klientin:

Wie hat sich die Lähmung für dich angefühlt?

Es passierte, wenn mich eine bestimmte Situation innerlich erstarren ließ. Ich spürte noch tief in mir einen Impuls, der nach oben steigen möchte, der hinaus möchte, jedoch ist er wie eingesperrt. Ich konnte nicht reagieren, weil der Impuls zur Reaktion aus der die Aktion/ Handlung folgt, eingemauert war. Was daraus resultierte, war ein Gefühl der Lähmung.

Dieses innere Gefühl ist vielleicht vergleichbar mit folgender äußeren Handlung: ich spüre den Impuls flüchten zu müssen, möchte losrennen, realisiert jedoch, dass ich festgekettet bin und zwar so, dass sich meinen Arme und Beine nicht bewegen können. Mein Körper wendet jegliche Kraft auf, um sich zu befreien. Im Außen ist jedoch nichts sichtbar, da die Ketten so fest sitzen, dass nicht die kleinste Bewegung nach außen dringt. Danach folgt die völlige Erschöpfung. Die Reaktion zu flüchten ist nicht mehr möglich, obwohl der Impuls immer noch da ist. Das größte Problem war, dass niemand außer mir die Ketten sieht. So war ich damit allein und wer weiß, vielleicht bildete ich es mir nur ein und war einfach nur unfähig.

Die Intensität des Kampfes ließ über die Jahre nach, weil ich gelernt hatte, dass es nicht möglich ist, mich zu befreien, um dann das zu tun, was ich möchte und/ oder das zu sagen, was ich möchte. Die Ketten waren stärker als ich. Jeder Impuls der aufkam, wurde mehrfach hinterfragt. Lohnt sich der Kraftaufwand? Spüre ich ab einem gewissen Punkt wieder die Ketten, die zur völligen Erschöpfung führen?

Wie fühlt es sich ohne Lähmung an?

Ich hinterfrage meine Impulse nicht mehr. Ohne darüber nachzudenken, folge ich meinen Impulsen und ohne Kraftaufwand reagiere ich und werde aktiv. Große Hürden werden zu kleinen oder verschwinden völlig. Oftmals merke ich erst im Nachhinein, dass das mit der Lähmung nie möglich gewesen wäre. Dadurch ist Leichtigkeit und Entscheidungsfreudigkeit in mein Leben gekommen. Pläne die ich schmiede, dürfen groß werden. Ich kreise nicht mehr in meinen Gedanke und wäge ab, ob es sich lohnt. Dadurch verschwende ich keine Zeit und Energie mehr, die ich dann für die eigentliche Aktion nutzen kann.

Außerdem nutzt mein Gegenüber nicht mehr meine Lähmung, um mir etwas vorzuschreiben und netter gesagt, mir eine Entscheidung abzunehmen. Mit der Lähmung blieb eine eindeutige Reaktion oder Handlung von meiner Seite aus und ich habe die Reaktionen anderer daraufhin regelrecht angezogen. Jetzt gestalte ich mein Leben aktiv selbst.

Wie hat es sich während der Sitzung angefühlt?

Die Sitzung war durchwoben, von mir in lähmenden Situationen. In meinen Wünschen brauchte ich anfangs viel Hilfe und Unterstützung von außen. Nach und nach wurden die Ketten gesprengt und die Mauern durchbrochen. Ich fühlte, wie ich in meine Kraft und vor allem in meine Stimme kam. Ich konnte mich über die Situation stellen und ich konnte (sehr) lautstark meine Wut und meine Bedürfnisse äußern. Am Ende der Sitzung beim Zurückkehren ins Hier und Jetzt merkte ich, dass ich zuvor noch nie so tief gegangen war. Ich war regelrecht in mich hineingesunken. Das Thema brauchte meine ganze Kraft, Aufmerksamkeit und Hingabe.

Auflösung mit der Flowering Tree Methode

Die Flowering Tree Methode taut ganz behutsam das eingefrorene Bild auf. Die Informationen, die nötig sind zur Heilung werden dadurch zugänglich und während der Sitzung von mir genutzt. Das Trauma an sich wird nicht angefasst. Das ist die Besonderheit, du musst nicht zurück ins Trauma, kein Schmerz, keine Re-Traumatisierung. Wenn wir zu dem aufgetauten ICH-Anteil kommen, hat es schon den Lösungsweg vor Augen, den ich mit gezielten Fragen anstoße und bis zu deinem Ziel begleite.

Dadurch wird deine Vergangenheit auf emotionaler Ebene überschrieben. Das positive Gefühl, welches dadurch entsteht, ist ab sofort mit dieser Situation verknüpft und ersetzt das negative Gefühl mir dem wir in die Sitzung hineingegangen sind. Aus Angst und Starre werden Sicherheit und Flexibilität.

Je mehr ICHs wir auftauen, desto mehr Leben, Freude und Liebe werden in dir frei. Dein Handlungsspielraum wird deutlich zunehmen und du spürst dich und deine Bedürfnisse immer deutlicher.

Wenn du dich von diesem Artikel angesprochen fühlst, kannst du dich sehr gern bei mir melden und einen Termin vereinbaren: