Lähmung - Ohnmacht - Handlungsunfähigkeit

Die Schockstarre des Traumas

Durch die Arbeit mit einer Klientin bin ich noch einmal auf das sehr spannende und wichtige Thema „Lähmung“ aufmerksam geworden. Auch ich hatte zu diesem Thema in der Vergangenheit eine Sitzung und kann mich noch sehr gut daran erinnern.

Die Begriffe Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit habe ich hineingenommen, weil sie eine schwächere Form der Lähmung darstellen und für einige greifbarer sein könnten.

In diesem Artikel werde ich von meiner persönlichen Erfahrung und der einer Klientin berichten. Vorab erst einmal ein paar Zeilen, was mit Lähmung als Symptom überhaupt gemeint ist, wie es dazu kommen kann und den Unterschied zwischen Schocktrauma und Entwicklungstrauma werde ich auch kurz erläutern.

Warum Lähmung und wie sie entsteht

Es ist der Bruchteil einer Sekunde, kurz bevor das eigentlich traumatische Ereignis geschieht. Der Moment in dem dir bewusst wird, da passiert gleich etwas Schlimmes mit mir. Ein Teil deines Selbst friert zusammen mit diesem Moment und ein paar Einzelheiten des Ereignisses ein. Du fühlst dich wie gelähmt. Deine Hülle steht noch dort in dieser Situation, dein Fühlen, deine Sinne hingegen sind ausgeschaltet.

Dieser Mechanismus nennt sich Dissoziation. Es ist wie ein Schutzschalter, der genau dann anspringt, wenn Flucht oder Kampf unmöglich ist.

Wie du dir vorstellen kannst, sind kleine Kinder sehr viel anfälliger zu dissoziieren, da sie kaum über die nötigen Ressourcen oder Fähigkeiten verfügen, um erfolgreich fliehen oder kämpfen zu können.

Schocktrauma oder Entwicklungstrauma

Die Lähmung kann sowohl durch ein Schocktrauma, als auch durch ein Entwicklungstrauma hervorgerufen werden.

Ein Schocktrauma ist ein plötzliches, überforderndes Ereignis; ein zu schnell zu viel auf einmal. Ein Unfall, oder ein Übergriff beispielsweise.

Auch ein Entwicklungstrauma kann mit der Zeit zu dem Gefühl von Gelähmtheit führen. Mit Entwicklungstrauma sind dauerhafte Erfahrungen in der Kindheit gemeint, in denen Grundbedürfnisse nicht ausreichend erfüllt wurden. Eltern die emotional nicht erreichbar sind, da sie mit ihrem Kopf woanders sind, gestresst sind, wenig Zeit haben, nicht im Hier und Jetzt leben können. Dadurch sind sie nicht in der Lage die Signale ihres Babys oder Kleinkindes richtig zu deuten, sie können sich nicht ganz einfühlen. Vielleicht übersehen sie die Signale auch einfach nur, weil sie zu abgelenkt sind von der Arbeit, Gedanken, Stress, heutzutage ihrem Handy. Meist sind diese Eltern begleitet von Gefühlen der Hilflosigkeit, Ungeduld oder gar Wut, teilweise ohne diese Empfindungen selbst wahrzunehmen, da sie zu abgelenkt sind.

Wenn deine (Grund-)Bedürfnisse als Neugeborenes und Kleinkind nicht erfüllt werden, führt dies zu Schmerz und Dysregulation. Du erlebst dies als bedrohlich, potentiell sogar lebensbedrohlich, was nicht überraschen sollte, da alles davon abhängt, wie deine Bezugspersonen sich um dich kümmern, ob sie dich und deine Bedürfnisse fühlen.

Werden deine Bedürfnisse nicht gesehen, ist deine gesunde erste Reaktion darauf Protest und Frustration zum Beispiel durch Schreien. Du weinst, damit dein Bedürfnis deutlich wird und doch noch erfüllt wird. Wenn dies „lange genug“ jedoch nicht der Fall ist, dein Weinen falsch gedeutet wird, ist deine nächste Reaktion aufzugeben, Resignation und Freeze.

Resignation und Freeze

Dieser Moment des Einfrierens ist eine Gelähmtheit, die dich meist ein Leben lang begleitet, wenn du nicht die Möglichkeit bekommst, sie aufzutauen und nachträglich entsprechend zu verarbeiten beziehungsweise aufzulösen, wie es die Flowering Tree Methode möglich macht.

Lähmung muss nicht für jeden gleich spürbar sein als Symptom. Häufig liegt sie unter vielen verschiedenen Schichten aus Ängsten oder Unsicherheiten verschüttet, so dass du sie nicht wahrnehmen kannst. Oder dir war bisher einfach nur nicht klar, dass es ein Symptom sein könnte. Ängste sind in aller Munde, dadurch sind sie natürlich greifbarer und kommen schneller ins Bewusstsein, während Lähmung eher ein „Underdog" ist.

Begleitsymptome

Bei Nichtverarbeitung von Traumata verbleibt diese eingangs erwähnte Schocksequenz im Nerven-System und gibt dir dauerhaft das Gefühl, in Gefahr zu sein. Das Nervensystem kann nicht unterscheiden, ob die Signale aus der Gegenwart kommen (ich bin wirklich genau jetzt in Gefahr) oder eine alte feststeckende Aktivierung ist (ich war mal in Gefahr und mein System kann sich seither nicht entspannen). Du bist dadurch innerlich angespannt und neigst zur Vorsicht und beobachtest deine Umgebung gut.

Vielleicht kommt dir das ja bekannt vor: du bereitest dich regelmäßig gedanklich auf mögliche Ereignisse in der Zukunft vor und wie du auf sie reagieren möchtest. Du gehst dabei meist von einem Worst-Case-Szenario aus.

Diese dauerhafte Aktivierung führt zu unterschiedlichsten Symptomen, im folgenden nenne ich die Gängigsten:

Ängste die man mit dieser Lähmung in Verbindung bringen kann ist vor allem die Angst, dass etwas Schlimmes passieren könnte; Angst vor Bedrohung, man nimmt die Welt eher als gefährlichen Ort wahr; Habachtstellung, ein permanentes auf der Lauer liegen; Berührungsängste, Angst unangenehm aufzufallen, Stress, Angespanntheit, Verschlossenheit. Vor allem das Gefühl der Handlungsunfähigkeit, Ohnmacht und Sprachlosigkeit (Angst etwas zu sagen) gehen Hand in Hand mit dem Gefühl der Lähmung. Nicht zuletzt schafft Lähmung auch immer Distanz. Lähmung ist wie eine innere Mauer, die dich von innen ausfüllt.

Ich möchte Wut an dieser Stelle nicht unberücksichtigt lassen, auch diese ist meist mit von der Partie, allerdings nicht immer gleich spürbar. Wird die Lähmung aufgelöst, wird diese oftmals freigesetzt und kann dann verarbeitet und losgelassen werden.

Lähmung als Schutzmechanismus

Wie schon beschrieben handelt es sich bei der Lähmung um einen Schutzmechanismus, den man sehr gut mit dem Totstellreflex aus der Tierwelt vergleichen kann. Dabei geht es darum, alles was nach dem Moment des Erstarrens geschieht, emotional irgendwie zu überleben, es nicht zu sehr an sich heran zu lassen, es nicht so intensiv wahrnehmen zu müssen.

Mit einem Teil von dir (der später zu einem sogenannten verletzten inneren Kind wird, wovon jeder mehrere in sich trägt) friert dieser Moment, zusammen mit der Umgebung, vielleicht einem Geruch, einem Geräusch ein. Dies darfst du dir vorstellen wie ein Foto, welches in dein Unbewusstes abtaucht, damit du vergessen darfst. Darin steckt auch ein Teil von dir, auf den du dann keinerlei Zugriff mehr hast.

Dies ist die Schattenseite dieses Überleberns-Mechanismus. Mit jeder Dissoziation verlierst du dich ein Stück mehr, du wirst sozusagen immer unvollständiger. Dadurch wirst du schleichend härter, kühler, ernster, trauriger, distanzierter und verlierst immer mehr den Kontakt zu dir selbst und auch zur Außenwelt.

Wie sich Lähmung bemerkbar macht

Diese Lähmung lässt dich nicht in Ruhe, sie lässt dich nicht in jeder Lebenssituation einfach du selbst sein. Sie macht dich starr und verhindert, dass du Gelegenheiten beim Schopfe packen und Chancen, die dir das Leben bietet, erkennen und ergreifen kannst.

Wie oft hast du dich schon geärgert, in einer Situation nicht kontern zu können, nicht aussprechen zu können was du so gern gesagt hättest. Stundenlang, manchmal tagelang bist du die Situation im Kopf wieder und wieder durchgegangen und hast dich über dich selbst geärgert.

Oder bestes Beispiel, die Kennenlernphase. Beim Flirt schlägt die Lähmung besonders gern zu. Die Leichtigkeit, den Humor bekommst du nicht transportiert, es fällt dir schwer du selbst zu sein, stattdessen erstarrst du innerlich und wirst einsilbig.

Es ist die Lähmung des Traumas, die dir deine Reaktionsfähigkeit und somit ein großes Stück deines Handlungsspielraumes raubt. Diese Lähmung lässt dich unlocker, unaufgeschlossen und unflexibel sein. Sie raubt dir die Fröhlichkeit, Energie und mahnt permanent zur Vorsicht. Selbstvertrauen und Mut schwinden, im schlimmsten Fall traust du dich kaum noch aus deiner Komfortzone heraus.

Meine Erfahrung mit der Lähmung

Ich kann mich noch sehr gut an meine eigene Sitzung zur Lähmung erinnern. Ich spürte sie als gebackenen Lehm der mich umhüllte und in die Starre zwang. Ich war in meinem Leben so oft sprachlos, habe mich nicht getraut und im Anschluss maßlos über mich selbst geärgert; ich war viel zu oft handlungsunfähig.

Nach der Sitzung war die Lähmung und all das, was sie mit sich brachte, weg.

Ich kann seither viel besser in Echtzeit reagieren, sozusagen Situationen beantworten, was natürlich eine Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit, der Kommunikationsfreudigkeit und der allgemeinen Lebensqualität darstellt. Die Sitzung hat mir Flexibilität und mehr Raum verliehen. Ich bin losgelöster, für mich ist es nun das Selbstverständlichste offen zu sein für das Leben und die Menschen. Mein Bewegungsradius hat sich enorm vergrößert. Ich probiere seitdem gern Neues aus, bin unternehmungslustig und viel freier.

Dank der Sitzung mit einer Klientin wurden diese Erinnerungen noch einmal in mir wach gerufen, wofür ich sehr dankbar bin. Viel zu schnell nimmt man die neugewonnenen Ressourcen nicht mehr wahr, viel zu schnell sind diese positiven Veränderungen die neue Normalität und vergessen sind die Blockaden und Hindernisse

Ebenfalls dankbar bin ich für ihren Beitrag zu diesem Artikel. Sie hat mir drei Fragen beantwortet, die ich im Folgenden eins zu eins so an dich weitergebe.

Kurzinterview mit einer Klientin:

Wie hat sich die Lähmung für dich angefühlt?

Es passierte, wenn mich eine bestimmte Situation innerlich erstarren ließ. Ich spürte noch tief in mir einen Impuls, der nach oben steigen möchte, der hinaus möchte, jedoch ist er wie eingesperrt. Ich konnte nicht reagieren, weil der Impuls zur Reaktion aus der die Aktion/ Handlung folgt, eingemauert war. Was daraus resultierte, war ein Gefühl der Lähmung.

Dieses innere Gefühl ist vielleicht vergleichbar mit folgender äußeren Handlung: ich spüre den Impuls flüchten zu müssen, möchte losrennen, realisiert jedoch, dass ich festgekettet bin und zwar so, dass sich meinen Arme und Beine nicht bewegen können. Mein Körper wendet jegliche Kraft auf, um sich zu befreien. Im Außen ist jedoch nichts sichtbar, da die Ketten so fest sitzen, dass nicht die kleinste Bewegung nach außen dringt. Danach folgt die völlige Erschöpfung. Die Reaktion zu flüchten ist nicht mehr möglich, obwohl der Impuls immer noch da ist. Das größte Problem war, dass niemand außer mir die Ketten sieht. So war ich damit allein und wer weiß, vielleicht bildete ich es mir nur ein und war einfach nur unfähig.

Die Intensität des Kampfes ließ über die Jahre nach, weil ich gelernt hatte, dass es nicht möglich ist, mich zu befreien, um dann das zu tun, was ich möchte und/ oder das zu sagen, was ich möchte. Die Ketten waren stärker als ich. Jeder Impuls der aufkam, wurde mehrfach hinterfragt. Lohnt sich der Kraftaufwand? Spüre ich ab einem gewissen Punkt wieder die Ketten, die zur völligen Erschöpfung führen?

Wie fühlt es sich ohne Lähmung an?

Ich hinterfrage meine Impulse nicht mehr. Ohne darüber nachzudenken, folge ich meinen Impulsen und ohne Kraftaufwand reagiere ich und werde aktiv. Große Hürden werden zu kleinen oder verschwinden völlig. Oftmals merke ich erst im Nachhinein, dass das mit der Lähmung nie möglich gewesen wäre. Dadurch ist Leichtigkeit und Entscheidungsfreudigkeit in mein Leben gekommen. Pläne die ich schmiede, dürfen groß werden. Ich kreise nicht mehr in meinen Gedanke und wäge ab, ob es sich lohnt. Dadurch verschwende ich keine Zeit und Energie mehr, die ich dann für die eigentliche Aktion nutzen kann.

Außerdem nutzt mein Gegenüber nicht mehr meine Lähmung, um mir etwas vorzuschreiben und netter gesagt, mir eine Entscheidung abzunehmen. Mit der Lähmung blieb eine eindeutige Reaktion oder Handlung von meiner Seite aus und ich habe die Reaktionen anderer daraufhin regelrecht angezogen. Jetzt gestalte ich mein Leben aktiv selbst.

Wie hat es sich während der Sitzung angefühlt?

Die Sitzung war durchwoben, von mir in lähmenden Situationen. In meinen Wünschen brauchte ich anfangs viel Hilfe und Unterstützung von außen. Nach und nach wurden die Ketten gesprengt und die Mauern durchbrochen. Ich fühlte, wie ich in meine Kraft und vor allem in meine Stimme kam. Ich konnte mich über die Situation stellen und ich konnte (sehr) lautstark meine Wut und meine Bedürfnisse äußern. Am Ende der Sitzung beim Zurückkehren ins Hier und Jetzt merkte ich, dass ich zuvor noch nie so tief gegangen war. Ich war regelrecht in mich hineingesunken. Das Thema brauchte meine ganze Kraft, Aufmerksamkeit und Hingabe.

Auflösung mit der Flowering Tree Methode

Die Flowering Tree Methode taut ganz behutsam das eingefrorene Bild auf, die Informationen, die nötig sind zur Heilung werden zugänglich und nur diese werden von mir erfragt. Das Trauma an sich wird nicht angefasst. Das ist die Besonderheit, du musst nicht zurück ins Trauma, kein Schmerz, keine Re-Traumatisierung. Wenn wir zu dem aufgetauten ICH kommen, hat es sich schon aus der traumatischen Situation befreit und wir stehen gemeinsam vor einer Zukunft, wie du beziehungsweise dein ICH sie sich gewünscht und vorgestellt hätte.

Mittels Fragen gehen wir gemeinsam diese Wunschvorstellung durch und überschreiben deine Vergangenheit. Das positive Gefühl welches dadurch entsteht ist ab sofort mit dieser Situation verknüpft. Es wird eingetauscht gegen die Todesangst und Lähmung.

Je mehr ICHs wir auftauen, desto mehr Leben, Freude und Freiheit können in dir entstehen. Dein Handlungsspielraum wird deutlich zunehmen und du spürst dich und deine Bedürfnisse immer deutlicher.

Wenn du dich von diesem Artikel angesprochen fühlst, kannst du dich sehrt gern bei mir melden.

Es ist eine unglaubliche Befreiung und ein unermesslicher Reichtum an neugewonnener Lebensqualität, die auf dich warten.

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